Geht es um die Absicherung bedarfsgerechter Berufsunfähigkeitsrenten und späteres Ausbaupotential, sind die Versicherer im Jahr 2004 stehen geblieben. Will man eine höhere Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, sind verschiedene potentielle Fallstricke zu überwinden.

Wobei der Begriff „höhere BU-Rente“ erheblich täuscht. Die Probleme gehen bereits ab 2.500 € Berufsunfähigkeitsrente los. Das entspricht einem jährlichen Bruttoeinkommen von gerade einmal etwas über 50.000 €. Ab dieser Größe von monatlich 2.500 € BU-Rente gelten nicht mehr allein die regulären Antragsfragen.

Je nach Versicherer werden die Antragsfragen dann erheblich ausgeweitet (bspw. unbegrenzte Abfragezeiträume) oder zusätzliche ärztliche Untersuchungen verlangt. Zum Beispiel:

  1. Blutbilder
  2. Blutdruckmessungen
  3. Belastungs-EKG
  4. uvm., was zu bösen Überraschungen (bspw. Risikozuschlägen) führen kann

Untersuchungsgrenzen am Beispiel LV1871

Bei Absicherung von mehr als 2.500 € mtl. BU-Rente will die LV1871 zusätzlich ein ärztliches Zeugnis mit großem Blutbild, ein Ruhe-EKG, einen HIV-Test und eine Harnuntersuchung.

Untersuchungsgrenzen am Beispiel Alte Leipziger

Ähnlich sieht es bei der Alte Leipziger aus. Allerdings rechnet die Alte Leipziger die Gesamtabsicherung pauschal an. Theoretisch rechnet auch die LV1871 die Gesamtabsicherung für binnen 5 Jahre abgeschlossene BU-Verträge an, prüft es aber in der Praxis nicht.

Abhilfe kann hier die Lösung über die Nachversicherung bei einer Zweivertragskonstellation schaffen. Man kann so bzgl. Annahmerichtlinien bei Abschluss unter den jeweiligen Untersuchungsgrenzen bleiben und die eigentliche Ziel-BU-Rente im Anschluss (auch praktisch fast zeitgleich) durch Nachversicherung erreichen.

Erschwerend kommt hinzu, dass bei den meisten Versicherern noch immer eine Nachversicherungsobergrenze von 2.500 € gilt (Marktstandard 2004). Sichert ein Berufseinsteiger mit 50.000 € Brutto also diese Rentenhöhe ab, hat er mit Ausnahme der Beitragsdynamiken kein weiteres vertragsbezogenes Anpassungspotential über Nachversicherungsoptionen.

Mit einer Zweivertragslösung Flexibilität und bedarfsgerechte Absicherung umsetzen

Die Lösung für all diese Fallstricke ist die Zweivertragslöung. Eine solche Zweivertragslösung ermöglicht eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Ausbaupotential und umgeht die Probleme mit der Risikoprüfung.

Schauen wir uns das doch einmal beispielhaft anhand einer Ziel-BU-Rente von 3.000 € an:

Abschluss eines Vertrags mit höherer BU-Rente

Möchte ich die 3.000 € über eine Gesellschaft absichern, gelten nicht mehr allein die Antragsfragen. Es werden erweiterte Untersuchungsgrenzen ausgelöst, die je nach Versicherer sehr unangenehme Konsequenzen haben können.

Ist der Versicherungsnehmer bei Blutabnahme und Blutdruckmessung nervös, kann bereits eine einmalige Blutdrucküberschreitung zu 25 % Risikozuschlag führen. Auch, wenn eigentlich überhaupt keinerlei Probleme mit dem Blutdruck bekannt sind.

Zudem besteht im Vertrag in der Regel kein Nachversicherungspotential mehr. Es verbleiben nur noch die Beitragsdynamiken für spätere Erhöhungen und Kaufkraftausgleich.

Abschluss einer Zweivertragslösung

Teile ich die 3.000 € Berufsunfähigkeitsrente hingegen auf zwei Gesellschaften auf, unterschreite ich die gesellschaftsbezogenen Untersuchungsgrenzen (gilt nicht für alle Versicherer). Ich kann ganz normal vorab über eine Risikovoranfrage die Versicherbarkeit klären. Es gelten die regulären Antragsfragen der jeweiligen Versicherer, eine weitere Gängelei erfolgt bei Wahl der richtigen Versicherer in der Praxis nicht.

Zudem bestehen jeweils auf Vertragsebene noch Nachversicherungsoptionen, da die Nachversicherungsobergrenze je Gesellschaft nicht erreicht wurde.

Heißt, auch wenn Versicherer die gesamte Absicherungssumme betrachten, kann man durch zunächst niedrigeren Abschluss und anschließend zeitnahe Nachversicherung trotzdem die Untersuchungsgrenzen umgehen. Und natürlich besteht Nachversicherungspotential für spätere Einkommensentwicklung.

Allerdings teilt man in der Praxis (abweichend von der Grafik) praktisch nie 50/50 auf. Die Aufteilung wird über die individuelle Zielsetzung und die jeweiligen Spielregeln zur Nachversicherung ermittelt.

Anmerkung aus der Praxis

Seit Anbeginn meiner Tätigkeit als Versicherungsmakler Berufsunfähigkeitsversicherung hat sich nur ein Kunde gegen meinen Rat für eine Zweivertragslösung entschieden. Was ist passiert? Einmalig erhöhter Blutdruck beim MedCheck. Obwohl diesbezüglich sogar einwandfreie Ergebnisse aus den drei vorhergehenden Jahren vorlagen. Herzlichen Glückwunsch zu 25 % Risikozuschlag. Zudem dauerte die Antragsnachbearbeitung durch einen weiteren Fehler des Interessenten knapp über 4 Monate.

Mit der empfohlenen Zweivertragslösung wäre die Story in 6-8 Werktagen einwandfrei abgesschlossen gewesen. Mit medizinisch glatter Annahme, die bereits über Risikovoranfragen vorab geklärt war. Also ohne Risikozuschlag …

Das Problem mit der wirtschaftlichen Angemessenheit für Arbeitnehmer

Geht es um die Absicherung höherer Einkommen, kommt noch ein weiteres Problem dazu, die wirtschaftliche Angemessenheit.

Bruttoeinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (82.800 € in 2020) können in der Regel bis zu 60 % abgesichert werden. Einkommen darüber hinaus aber nur noch zu beispielsweise 30 %.

Beispiel, 135.800 Jahresbrutto

60 % von 82.800 € = 4.140 € BU-Rente mtl.

30 % von 53.000 € = 1.325 € BU-Rente mtl.

Summe: maximal 5.465 € mtl. BU-Rente bei einem mtl. Netto von ca. 6.050 €

Das ist in der Praxis zunächst noch völlig unproblematisch. Liegt vor allem am Wirkungsgrad von Beitragsdynamiken. Habe ich beispielsweise eine Beitragsdynamik von 5 % p.a. vereinbart, erreiche ich bereits mit zwei dynamischen Erhöhungen in etwa die Nettogröße. Je höher die Ausgangs-BU-Rente, desto höher der absolute Wirkungsgrad der Beitragsdynamiken.

Nur ist obiges Beispiel nicht unbedingt praxistauglich. Gerade höhere Einkommen bestehen oft aus variablen Gehaltsbestandteilen wie Boni oder Tantiemen. Diese dürfen wiederum bei der Berechnung wirtschaftlicher Angemessenheit zum Abschlusszeitpunkt nicht berücksichtigt werden.

Und schon kann die Story im nachfolgenden, überspitzten Beispiel ganz anders aussehen:

Beispiel, 135.800 Jahresbrutto, 53.000 € variabel

60 % von 82.800 € = 4.140 € BU-Rente mtl.

Summe: maximal 4.140€ mtl. BU-Rente bei einem mtl. Netto von ca. 6.050 €

Auch hier kann eine Zweivertragslösung bedingt Abhilfe schaffen. Für die Nachversicherung gelten in der Regel die tatsächlich realisierten Bruttoeinkommen des Vorjahres.

Das Problem mit der wirtschaftlichen Angemessenheit für Selbstständige

Bei Selbstständigen kann die Story noch erheblich komplizierter werden. Es gilt üblicherweise der Gewinn vor Steuern (3-Jahresschnitt) als Bezugsgröße für die wirtschaftliche Angemessenheit.

Der Gewinn vor Steuern ist aber eine durchaus flexible Größe, die durch verschiedene Faktoren gesteuert und beeinflusst werden kann. So zum Beispiel geringe Gehälter bei zusätzlichen Entnahmen (bspw. Dividenden) für GmbH-Geschäftsführer.

Oder bei Existenzgründern durch geringe Gewinne in den ersten Jahren. Schließlich investiert man üblicherweise die ersten Jahre erst einmal in die eigene Firma, statt unnötig Gewinne zu versteuern.

Technische Flexibilität und Anpassbarkeit ist für Selbstständige ein besonders wichtiges Kriterium bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Das Problem mit den Rückversicherern

Bei Berufsunfähigkeitsrenten über 4.000 € mtl. entscheidet zudem meist nicht mehr der Erstversicherer, sondern der jeweilige Rückversicherer. Führt gedanklich dazu, dass der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet und der individuelle Kunde sinngemäß in eine Exceltabelle gepresst wird.

Aus manueller Risikoprüfung (bspw. für Hobbys oder gesundheitliche Grenzsituationen) wird dann sture Risikoprüfung nach Datenbank. Was zu erheblich schlechteren Ergebnissen führen wird, als man durch manuelle Risikoprüfung via Risikovoranfrage hätte erzielen können.

Harmloses Beispiel Risikoprüfung durch Rückversicherer aus der Praxis

Vor ein paar Jahren sollten die Verträge (5) eines Interessenten zusammengefasst werden. Es ergab sich eine BU-Rente von insgesamt deutlich über 4.000 Euro. Der Kunde war zur Flugtauglichkeitsuntersuchung mit eher nebensächlichem Beibefund (=Musterung bei der Luftwaffe). Der Rückversicherer wollte nun wissen, welche Art von Flugmaschinen der Kunde so fliegt.

Wir konnten nur kurz und knapp antworten, dass der Kunde – abgesehen von Modellflugzeugen – noch nie ein Cockpit von innen gesehen hat.