Die (insbesondere ereignisabhängige) Erhöhung der ursprünglich vereinbarten BU-Rente wird Nachversicherung genannt. Belastbare Nachversicherungsoptionen sind der Schlüssel zu einer dauerhaft bedarfsgerechten Berufsunfähigkeitsversicherung.
Als somit wichtigste Flexibilitätsoption nimmt das Thema Nachversicherung im Beratungstermin Technische Ausgestaltung einer Berufsunfähigkeitsversicherung einen besonders hohen Stellenwert ein.
Nachversicherung Berufsunfähigkeitsversicherung – Inhaltsverzeichnis
- Was ist eine Nachversicherung?
- Spielregeln Nachversicherung in den Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung
- Warum belastbare Nachversicherungsoptionen so wichtig sind
- Zweivertragslösung – Berufsunfähigkeitsversicherung mit mehr Ausbaupotential
- Konkrete Anwendungsbeispiele für Spielregeln zur Nachversicherung
- Fazit Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Was ist eine Nachversicherung und warum ist das Thema so wichtig?
Die bei Abschluss maximal versicherbare Berufsunfähigkeitsrente ist insbesondere in Bezug auf die wirtschaftliche Angemessenheit (abhängig vom Einkommen) begrenzt. Die entsprechenden Annahmerichtlinien unterscheiden sich von Versicherer zu Versicherer.
Eine spätere Erhöhung dieser ursprünglichen Absicherungshöhe ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung nur über Beitragsdynamiken oder Nachversicherung möglich.
Die Beitragsdynamik hat die Aufgabe des kontinuierlichen Kaufkraftausgleichs (Inflation) in kleinen Schritten. Die Nachversicherung soll hingegen die größeren Sprünge in Folge sich verändernder Lebensumstände abbilden, beispielsweise in Folge einer Gehaltserhöhung.
Diesbezüglich ist zu beachten, dass es sowohl ein rationales als auch ein emotionales Nachversicherungsbedürfnis geben kann. Eine Erhöhung der vereinbarten BU-Rente allein in Folge einer Einkommenserhöhung ist ein rein rationales Nachversicherungsbedürfnis.
Dieses wird beim ungebundenen jungen Gutverdiener ohne Kinder und ohne finanzielle Verpflichtungen aber nicht genauso stark ausgeprägt sein, wie beim Familienvater als Alleinverdiener mit laufender Baufinanzierung. Den Erhöhungswunsch im Sinne vorgenannter Lebensentwicklungen nenne ich emotionales Nachversicherungsbedürfnis.
Aus Sicht des BU-Versicherers stellt jedoch jede Erhöhung der ursprünglichen BU-Rente ein mehr oder weniger ungeprüftes, zusätzliches Risiko dar. Entsprechend schützen sich die Versicherer über detaillierte, teils sehr komplexe Regelungen in den Versicherungsbedingungen.
Deutlicher formuliert: Ich kann meine Absicherungshöhe in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nach Lust und Laune erhöhen. Entscheidend sind die in den Versicherungsbedingungen abgebildeten Spielregeln.
Spielregeln zur Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Die wichtigsten Spielregeln in Bezug auf Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung sind im nachfolgenden Schema vereinfacht dargestellt.
In Bezug auf die Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es so Einiges zu beachten. Nachfolgend finden sich detailliertere Informationen zu den einzelnen Teilaspekten.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist generell keine „fire and forget“ Story. Regelmäßige Kontrolle der individuellen Gegebenheiten und daraus resultierende Anpassungen sind unumgänglich, wenn der Versicherungsschutz dauerhaft bedarfsgerecht bleiben soll.
Kann man ein wenig mit dem Auto vergleichen, auch das muss immer mal wieder zur Inspektion oder zum TÜV.
Blöd ist nur, wenn am Ende der Flexibilität der eigenen Absicherung noch Bedarf übrig ist. Entsprechend wichtig ist die Wahl geeigneter Versicherungsbedingungen oder einer Gesamtabsicherung durch eine Mehrvertragslösung.
Ob der teils sehr komplexen, praxisfremden und versicherungsnehmerfeindlichen Regeln bevorzuge ich den Begriff „Nachversicherungsoption“ statt „Nachversicherungsgarantie“.
Warum belastbare Nachversicherungsoptionen so wichtig sind
Aus den vorhergehenden Absätzen sollte deutlich geworden sein, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung immer wieder auf sich verändernde Lebensumstände angepasst werden muss, wenn sie dauerhaft bedarfsgerecht sein soll.
Dies gilt logischerweise insbesondere für die richtige Absicherungshöhe. Weiterführende Informationen zum Thema „Wieviel BU-Rente absichern?“ finden sich im entsprechenden Artikel.
Generell gilt, je geringer die ursprüngliche Absicherungshöhe, desto notwendiger und zeitgleich um so problematischer ist die Wahl belastbarer Nachversicherungsoptionen. Dies gilt insbesondere für die Schüler-BU, Studenten und Azubis.
Für diese gelten absolute Obergrenzen von beispielsweise 1.100, 1.500 oder 2.000 € mtl. BU-Rentenhöhe. Auf Dauer also keinesfalls bedarfsgerechte BU-Rentenhöhen. Nachversicherung ist nahezu unvermeidbar, der reine Kaufkrafterhalt über Beitragsdynamiken kann dauerhaft bedarfsgerechte BU-Rentenhöhen nicht erzielen.
Bei anfänglich sehr hohen BU-Renten ist einerseits der Wirkungsgrad von Beitragsdynamiken höher, andererseits das zukünftige Steigerungspotential häufig eher überschaubar. Trifft letztere Annahme jedoch nicht zu, führt selten ein Weg an einer Zweivertragslösung vorbei.
Diesen Lösungsansatz reiße ich nachfolgend kurz an, es gibt aber auch einen eigenen Artikel zur Zweivertragslösung. Im weiteren Verlauf finden sich dann konkrete Praxisbeispiele, insbesondere auch für die oben genannten Konstellationen.
Zweivertragslösung – BU mit Ausbaupotential
Mittlerweile bieten einige Versicherer ganz erhebliche Ausbaupotentiale an.
Beispiel
Ein (akademischer) Informatiker hat bei der LV1871 Stand 10.2023 eine Nachversicherungsobergrenze von 3.700 €. Im Zuge der Karrieregarantie (über Gehaltssteigerungen) kann auf bis zu 7.400 € erhöht werden.
Rein summentechnisch sollten diese Dimensionen in den meisten Fällen reichen. ABER …
Einerseits bieten nur sehr wenige Versicherer ein vergleichbares Ausbaupotential (nur für ausgesuchte Berufsgruppen) an, andererseits sind diese Obergrenzen oft eher theoretischer Natur.
Die Karrieregarantie (LV1871, inzwischen von ein paar anderen Versicherern kopiert) basiert aber allein auf der Gehaltserhöhung. Ich muss unmittelbar – meist binnen 12 Monate – auf die Gehaltserhöhung reagieren. Das tun erfahrungsgemäß die wenigsten Versicherungsnehmer.
Liegt am oben beschriebenen Problem emotionaler und rationaler Nachversicherungsbedürfnisse. Ein Gutverdiener ohne Kinder und finanzielle Verpflichtungen wird im Regelfall nicht allein auf Basis einer weiteren Gehaltserhöhung den Versicherungsschutz (und somit die Kosten) erhöhen. Zumindest nicht im Sinne von Oberkante, Unterlippe.
Kommen nun 2-3 Jahre später Kinder und die Baufinanzierung hinzu, kann die vor Jahren erfolgte Gehaltserhöhung NICHT MEHR als Grundlage für eine Nachversicherung heran gezogen werden.
Zudem gilt die Karrieregarantie im Regelfall nur für den Arbeitnehmer, nicht für Selbstständige (und wenn für diese, dann völlig sinnfrei eingeschränkt).
Lange Rede, kurzer Sinn: Selbst die attraktiven Nachversicherungspotentiale einzelner Versicherer sind eher theoretischer Natur. Höhere BU-Renten lassen sich nur durch die Aufteilung der Gesamtabsicherung auf mehrere Versicherer realisieren.
Dann lassen sich die jeweils Versicherer bezogenen Nachversicherungsobergrenzen und Spielregeln nutzen. Für eine sinnvolle Umsetzung dieser Lösungsalternative ist in der Praxis eine genaue Kenntnis der Versicherungsbedingungen nötig. Wir sehen das gleich nochmal in einem Beispiel.
Obige Aussagen gelten für die meisten Versicherer mit erheblich niedrigeren Nachversicherungsobergrenzen um so mehr.
Zudem kann es weitere Gründe für die Aufteilung auf mehrere Anbieter geben, beispielsweise Auswirkungen auf die Risikoprüfung bei höheren BU-Renten. Ausführlich ist dies im Artikel zur Zweivertragslösung dargestellt.
Konkrete Anwendungsbeispiele für Spielregeln zur Nachversicherung
Meine Kunden sind mehrheitlich Absolventen der MINT-Studienfächer. Einstiegsbruttos von mehr als 50.000 € p.a. sind da keine Seltenheit.
Diese 50.000 € Jahresbrutto entsprechen bei 60 % wirtschaftlicher Angemessenheit bereits einer mtl. BU-Rente von 2.500 €. Wenn die Nachversicherung aber auf 2.500 € begrenzt ist, kann eine spätere Anpassung der Absicherungshöhe nur noch im Rahmen der jährlichen Beitragsdynamik vorgenommen werden.
Beitragsdynamiken reichen wiederum nicht aus, um mit der schnellen Gehaltsentwicklung Schritt zu halten. 80.000 Brutto p.a. sind bei vernünftigem Arbeitgeber bereits nach wenigen Jahren keine Seltenheit in den MINT-Berufen.
Auch die Medizinstudenten unter meinen Kunden beginnen als Assistenzarzt schon mit deutlich über 50.000 € Jahresbrutto. Als Facharzt mit moderaten Überstunden sind das dann schon schnell über 80.000 € Brutto.
Auf Einzelvertragsebene kann man so keine bedarfsgerechte Absicherung darstellen.
Mein Beratungsziel ist jedoch eine flexible und dauerhaft bedarfsgerechte Gesamtabsicherung. Wie das aussehen kann, ist in den nachfolgenden Beispielen erkennbar.
Warnhinweis: Die Versicherungsbedingungen sind in Bezug auf Nachversicherung dynamisch / entwickeln sich weiter. Obige Beispiele sind eine Momentaufnahme, sie können beim Lesen dieses Artikels inhaltlich bereits veraltet sein.
Fazit Nachversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Belastbare Nachversicherungsoptionen sind der mit Abstand wichtigste Flexibilitätsaspekt in den Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Mehrheit der Versicherer bietet keine brauchbaren Nachversicherungsgarantien.
Das Thema Nachversicherung steht vor einem großen „alles kann, nichts muss“. Es geht um Flexibilitätsoptionen, um anfänglich vereinbarten Absicherungshöhen auch über Jahrzehnte bedarfsgerecht halten zu können. Optionen schaden immer nur dem, der keine Optionen hat.
Die Annahme, Beitragsdynamiken würden das Problem bedarfsgerechte BU-Rentenhöhe automatisch lösen, schlägt fehl. Die Aufgabe von Beitragsdynamiken ist primär der Kaufkraftausgleich (sprich Inflation), sprunghafte Gehaltsentwicklungen kann man mit Beitragsdynamiken nicht adäquat absichern.
Daher sollte bei der technischen Ausgestaltung einer Berufsunfähigkeitsversicherung stets ein großes Augenmerk auf das Thema Nachversicherung gelegt werden. Und genau das tun wir auch im entsprechenden Beratungstermin.
So können wir gemeinsam individuell auf Sie zugeschnittene Lösungen finden, mit denen bereits bei Abschluss viele mögliche zukünftige Eventualitäten berücksichtigt werden können.
Hallo Herr Breitag,
Nachdem ich im Ihren Artikel über die Obergrenze der Nachversicherung gelesen, habe ich dann einen Bekannten darüber gefragt, der bei Ergo arbeitet und mir BU vermitteln möchte, wie hoch ist die Obergrenze bei Ergo ist. Laut seiner Antwort hat Ergo keine Beschränkung mit der Nachversicherung, solange die BU-Rente die 60% von Einkommen nicht übersteigt. Da Sie sagen, dass die meisten Versicherer eine Grenze von 2500 € haben, bin ich bisschen skeptisch geworden, ob seine Aussage richtig ist. Kennen Sie BU von Ergo gut aus?
Vielen Dank und beste Grüße
Für die neuen AVB seit Dezember 2019 finden sich die Nachversicherungsregelungen im Teil F (Vertragliche Gestaltungsmöglichen) §3 der Bedingungen. Die Bedingungen sollten Sie vor einem Abschluss schon gelesen und verstanden haben.
Gegenüber den 2018er Bedingungen ist nun immerhin eine Nachversicherung ohne erneute Risikoprüfung gegeben, zuvor ohne erneute Gesundheitsprüfung.
Gleichwohl gilt: Pro Nachversicherung maximal 500 Euro. Alle Nachversicherungen gesamt maximal 1000 Euro (zuvor 500). Nachversicherungsobergrenze 30.000 p.a. oder eben 2.500 € mtl. BU Rente. Diese Voraussetzungen finden sich in 3.3 des Teils F der Bedingungen.
Waren die Nachversicherungsregelungen im 2018er Tarife noch eine der Schlechtesten am Markt, so sind die 2019er dank „ohne erneute Risikoprüfung“ zumindest vertretbar, wenn es zur individuellen Situation passt. Lügenmärchen würde ich mir aber keine erzählen lassen, dafür liest man die Versicherungsbedingungen und lässt sich Aussage für Aussage schwarz auf weiß zeigen, bevor man etwas abschließt.
Vielen vielen Dank für Ihre schnelle und direkte Antwort. Leider kann die PDF, die Sie hinzugefügt haben, nicht geöffnet werden und jetzt ist es weg. Ich habe nun mehr oder weniger den Eindruck bekommen, nachdem ich mich bisschen über BU gelesen habe, dass Ergo als Versicherer selten erwähnt ist.
*PS: außerdem möchte ich noch gerne Ihren Artikel über AU Klausel lesen. Leider ist der nicht frei zum Lesen.
Meine gemarkerten Bedingungen stehen nur den Kunden zur Verfügung. Die ungemarkerte Version findet sich hier: https://torsten-breitag.de/downloads/versicherungsbedingungen/ergo/2020/ergo-sbu-2019.pdf
Der Artikel zur AU Klausel ist ob der jüngsten Änderungen am Markt 05-07 / 2020 in Revision und daher aus gutem Grund gesperrt. Der gesamte Bereich zum AVB Termin ist derzeit in Bearbeitung. Da Sie weder Interessent noch Kunde sind, haben Sie entsprechend auch keinen Zugang.
Danke! Sicher bin ich Interessent. Nur bevor ich einen Termin mit Ihnen vereinbare, möchte ich mich noch besser informieren. Ansonsten weiß ich nicht, welche Fragen ich stellen sollte.
Hallo Herr Breitag,
vielen Dank für diesen interessanten Artikel und den Denkanstoß bzgl. Zweivertrag-Lösung. :-)
Ich habe daraufhin in den aktuellen Versicherungsbedingungen der Allianz nachgelesen, jedoch nur eine Begrenzung prozentual zum Einkommen gefunden. (Kapitel 11, Abs. 5)
Die von Ihnen genannten 2500€ konnte ich in den Bedingungen nicht finden.
Gilt diese Obergrenze bei der Allianz nicht, oder wo ist sie niedergeschrieben?
Vielen Dank im Voraus und ein schönes Weihnachtsfest!
Hallo,
die Allianz hatte über die Jahre viele unterschiedliche Regelungen in den Bedingungen. Für die neueren Tarifgenerationen gelten absolute Erhöhungsoptionen (siehe Kapitel absolute und prozentuale Grenzen). Siehe bspw. Abs. 5 des §11.1 in der SBU 12/2019. Gibt eine Erhöhung um 500 mtl. BU Rente (anlassbezogen oder ereignisunabhängig in den ersten 5 Jahren) her, insgesamt aber maximal um 1.000 Euro mtl. BU Rente auf Vertragsebene bei mehreren Erhöhungen hintereinander.
Fange ich bspw. mit 2.500 Euro mtl. BU Rente an, kann ich auf 3.500 erhöhen, soweit in Ordnung. Beginne ich aber mit bspw. als Schüler mit 1.250 Euro mtl. BU-Rente, ist eben mit 2.250 auch schon Schluss.
Dafür gelten weitere Einschränkungen gem. Schema aus dem Artikel. Bspw. keine 14 Tage zusammenhängende AU im Vorjahr (Kategorie Ausschlüsse), 70 % vom Brutto der letzten 3 Jahre im Schnitt und das nur bis 60.000, danach 50 % usw. usf. …
Für die 12 / 2020 gilt das soweit analog. Allerdings kam als zusätzlicher Ausschluss die Beitragsfreistellung hinzu. Nachversicherungsoptionen erlöschen, wenn der Vertrag beitragsfrei gestellt ist oder war.