Mit Urteil vom 20.04.2018 hat das OLG Karlsruhe das viel diskutierte Urteil des LG Heidelberg endgültig ins Nirwana verbannt. In meinem Blogartikel Mythos Spontane Anzeigepflicht hatte ich über den Verlauf der Story bereits berichtet.
Das Oberlandesgericht begründete genau so, wie ich es auch im ursprünglichen Artikel erläutert hatte.
Denn der Kläger erfüllte die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB, indem er der Beklagten durch Unterzeichnung der im Antragsformular angekreuzten Erklärung vorspiegelte, fähig zu sein, seiner Berufstätigkeit in vollem Umfang nachzugehen.
Ziffer 58 aus OLG Karlsruhe Urteil vom 20.4.2018, 12 U 156/16
Stark vereinfacht gesagt: Das Gericht kam zur Überzeugung, dass die Umstände (multiple Sklerose in damaliger Ausprägung, Grad der Behinderung etc., siehe ursprünglicher Blog) schlicht keine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit hergegeben hätten.
Somit sei die Antragsfrage des Versicherers diesbezüglich schlicht falsch beantwortet worden und das arglistig.
Aus meiner Sicht ist genau das ein hervorragendes Urteil im Interesse ehrlicher Versicherungsnehmer und Vermittler. Denn vor allem Erstere kämen mit ihren Prämien schlicht dafür auf, wenn Versicherer ungerechtfertigte Leistungen auszahlen würden.
Eine pauschale Gefahr für ehrliche Versicherungsnehmer, wie Sie vom Versicherungsmakler Helberg nach Vermittlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung an einen Todkranken herauf beschworen wurde, kann ich persönlich nicht im Ansatz erkennen.
Etwas vorsichtiger formuliert mein geschätzter Kollege Michael Schreiber seine Meinung zu den Geschehnissen in seinem aktuellen Blog Vorsicht vor BU Versicherung mit vereinfachten Gesundheitsfragen.
Was heißt das für den aktuellen Fall Helberg vs. Basler?
Zunächst mal gar nichts. Diesem Fall lagen andere Umstände zu Grunde (gem. Medienberichten und Pressemitteilung: Diabetes + chronisches Nierenversagen), die individuell auszuurteilen sind. Und das anhand der ebenfalls anders lautenden Antragsfragen der Basler …
Die Basler hatte sich bei diesem Vorgang schlichtweg unter anderem auf das LG Heidelberg bezogen. Hier führte ich bereits im ersten Blog aus, dass ich als juristischer Laie das Urteil LG Heidelberg für völlig überzogen halte, der Ansatz der Basler aber durchaus gute Gründe haben kann.
Ändert aber nichts daran, dass sich auch dieser aktuell offene Fall am Ende daran messen lassen wird, ob der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflichten nun arglistig verletzt hat oder nicht. Völlig losgelöst vom Mythos spontane Anzeigepflicht, der in diesem Kontext nicht viel mehr als ein theoretisches Konstrukt ist.
Das OLG Karlsruhe hat keine Revision zugelassen, somit wird es im Zuge dieses Rechtsstreits kein höchstrichterliches Urteil zum Thema spontane Anzeigepflicht geben. Wie es das OLG darstellt, wäre auch völlig unnötig …
Existiert nun eine spontane Anzeigepflicht oder nicht?
Ich persönlich empfinde es als eher bedauerlich, dass sich auch derzeit die Medienberichte (diverse Branchenblättchen) auf diese Frage einschießen. Sie ist aus meiner Sicht sowohl für die Story LG Heidelberg, als auch für den Helbergfall nebensächlich.
Durchaus relevant ist eine eher kleine Randnotiz im Urteil des OLG Karlsruhe:
Das „arglistige“ Verschweigen eines nicht anzeigepflichtigen Umstands stellt keine Täuschung im Sinne des Gesetzes dar.
Letzter Satz aus Ziffer 56 des Urteils
Das OLG verneint im vorliegenden Fall eine Notwendigkeit der Angabe nicht erfragter Erkrankungen. Stellt zudem fest, dass nach Auffassung des Gerichts bei Verschweigen nicht automatisch eine Täuschung gegeben sei.
Gleichwohl ist das aber kein Grundsatzurteil zur Thematik spontanen Anzeigepflicht. Genau das ist aber eben auch nicht nötig, da schlicht die Frage zur Arbeitsfähigkeit aus Sicht des Gerichts arglistig falsch beantwortet wurde.
Genau aus diesem Grund sehe ich schlicht keine Rechtsunsicherheit, wie sie von Helberg und zum Teil von den Medien beschworen wird. Man kann da sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein, völlig legitim.
Auch wenn diese Frage „existiert nun eine spontane Anzeigepflicht“ im konkreten Fall unbeantwortet blieb (da sie keine Rolle spielte), ich hätte mir eine ganz andere Diskussion gewünscht. Eine Diskussion darüber, dass Vermittler mit einem Minimum an Anstand schlichtweg keine BU Aktionsanträge an Todkranke verticken.
Wissen die Akteure im aktuellen Fall was sie tun?
Zudem drängt sich mir das Gefühl auf, dass die Akteure im aktuell noch offenen Helbergfall anscheinend selbst nicht so ganz wissen, was sie da eigentlich tun. Beispielhaftes Indiz, jüngste Äußerung des Herren in einem öffentlichen Forum. In diesem hatte er mir zunächst vorgeworfen, meine Kunden in falscher Sicherheit zu wiegen:
Die Frage, warum der „Versicherer das Thema spontane Anzeigepflicht ins Feld gebracht habe“, ist wenigstens überraschend. Denn genau das hat der Versicherer überhaupt nicht getan, zu finden in Ziffer 26 und 27 des OLG Urteils.
Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis wirksam gemäß § 123 BGB angefochten. Der Kläger habe seine vorvertragliche Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten in arglistiger Weise verletzt. Insbesondere habe er in unzutreffender Weise erklärt, zum Zeitpunkt der Antragstellung in seiner Fähigkeit zur Berufsausübung nicht beeinträchtigt gewesen zu sein, was offenkundig falsch gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten sämtliche krankheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen vorgelegen, die nunmehr zur Berufsunfähigkeit geführt haben sollten. Das vom Kläger vorgetragene Verständnis der Antragsfrage sei abwegig. Der Kläger habe arglistig gehandelt, denn es habe ihm klar vor Augen gestanden, unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Für ihn sei bei Vertragsschluss absehbar gewesen, dass – sollte dies nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung der Fall gewesen sein – in näherer Zukunft bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintreten würde. Auf den ebenfalls erklärten Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG komme es nicht an, wobei dessen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Hilfsweise hat die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten und sich auf den Einwand der Vorvertraglichkeit berufen.
Ziffer 27 des Urteils
Es war das LG Heidelberg, welches statt Klärung „Arglist oder nicht“ auf diesen Trichter spontane Anzeigepflicht kam, siehe Ziffer 28 des Urteils.
Letzten Ende kann es mir egal sein, was der Herr Kollege da meint meinen zu müssen. Es gilt ja zum Glück die Meinungsfreiheit.
Viel wichtiger: Ehrlichen Interessenten für eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann es egal sein. Viel Lärm um Nichts.
Sorgfältige Aufbereitung der Gesundheitshistorie ist die Voraussetzung für einen rechtssicheren BU Antrag. Erfüllt der Interessent diese Pflichten und berät der Vermittler hierzu ehrlich und offen, lässt sich aus meiner Sicht kein Problem herbei reden.
Das und nur das ist die wesentliche Voraussetzung, insbesondere auch bei Berufsunfähigkeitsversicherungen mit vereinfachten Gesundheitsfragen.
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