Ich dürfte einer von wenigen, wenn nicht sogar der Einzige auf die Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisierte Versicherungsmakler sein, der seine eigene Berufsunfähigkeit (respektive Dienstunfähigkeit) bereits selbst erlebt hat.

Eine Erfahrung, die meine nachfolgende berufliche Laufbahn geprägt, sowie meine heutige Arbeitsweise und Leidenschaft für meinen Beruf mitbestimmt hat.

Die Vorgeschichte und wie ich meine eigene BU abgeschlossen habe

Nach dem Abitur 2002 kam ich – warum auch immer – auf die völlig beknackte Idee, mich für 12 Jahre als Soldat auf Zeit (Offizieranwärter) bei der Bundeswehr zu verpflichten. Eine Entscheidung, die ich so heute mich Sicherheit nicht mehr treffen würde.

Innerhalb der ersten Monate kommt jeder Soldat auf Zeit mehr oder weniger unter Zwang (Pflichtveranstaltung auf dem Dienstplan) in Kontakt mit den „Beauftragten des Rahmenvertrags der Bundeswehr“. Eine Art Euphemismus für ahnungslose Versicherungsvertreter, die dank Kooperation mit der Bundeswehr ein leichtes Spiel mit noch ahnungsloseren jungen Soldaten haben.

Der Rahmenvertrag selbst ist ein Konsortium aus verschiedenen Versicherungsunternehmen.

Auf dieser verpflichtenden Informationsveranstaltung hatte ich wohl irgendwie Interesse signalisiert, da passierte aber erstmal gar nichts. Wochen später, dreckig und verschwitzt von einem Leistungsmarsch kommend, stand ich unter der Dusche und wurde aus dieser mit „Breitag, der Beauftragte vom Rahmenvertrag ist da“ herausgebrüllt.

Im Bademantel – nass, dreckig und verschwitzt – saß ich dann in meiner knastähnlichen Stube dem sagenumwobenen Beauftragten vom Rahmenvertrag gegenüber. Der gesamte Abschlussprozess für meine eigene „Berufsunfähigkeitsversicherung“ dauerte dann keine 5 Minuten.

Gesundheitsfragen? Ja, ich wurde mal kurz gefragt ob ich irgendetwas Gravierendes hätte. Nö, hatte ich nicht.

Beratung? Öhm, nee. Ich habe einen Flyer bekommen, auf dem unterschiedliche Preise standen und durfte dann einen Antrag unterschreiben.

Letzten Endes war mir das damals alles scheißegal. Ich war Anfang 20, kerngesund, gehörte zum oberen Drittel in Bezug auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Typisch Survivorship Bias, was sollte mir denn schon passieren. Außerdem war ich vom Leistungsmarsch müde und erschöpft. Wenn überhaupt, habe ich damals an eine Dusche und was Essbares gedacht.

Wie kam es zur Dienstunfähigkeit?

Innerhalb der ersten zwei ausbildungsintensiven Jahre der Offizierlaufbahn mussten einige Kameraden den Offizieranwärterjahrgang gesundheitlich bedingt verlassen. Ich kann mich kaum an die Details oder Namen erinnern.

Ich kann mich aber sehr wohl sehr genau daran erinnern, dass wir – und auch ich selbst – diese Kameraden damals als leistungsschwache Simulanten abgetan und ausgegrenzt haben. Salopp, es wurde schlichtweg ausgeblendet, welche Story mit welchen Erkenntnissen hinter den jeweiligen Schicksalen steckte. Kurzum, niemand hat sich mit diesen Storys oder den Menschen beschäftigen wollen, ich selbst auch nicht.

Es wurde ausgeblendet.

2005 fuhr ich dann stolz nach jahrelangem körperlichen Training – in der Blüte meiner körperlichen Leistungsfähigkeit – zum so genannten Einzelkämpferlehrgang. Dieser mehrwöchige Lehrgang hat mit Kämpfen wenig zu tun. Primär geht es um mehr oder weniger sinnvolle, aber erhebliche körperliche Belastungen, Schlaf- und Essensentzug.

In der zweiten Woche begab es sich dann, dass wir nach einem sehr anstrengenden Tag dann nachts die Gruppenprüfung „Handstreich/Hinterhalt“ absolvierten. Dafür mussten wir mehrfach eine kleine Schlucht durchkraxeln, eben bis jeder in der Gruppe seine Prüfung abgelegt hatte.

Meine eigene Prüfung hatte ich schon bestanden und den Weg auch schon 4 oder 5 mal absolviert. Dann passierte es. Ich fiel während des Laufens in eine Art Sekundenschlaf und lief einfach geradeaus.

Das ist halt ein wenig blöd, wenn man grad durch eine Schlucht kraxelt. Dieser Ausflug endete dann nach einem Sturz in ca. 3-4 Meter Tiefe, ich kam mit dem linken Knie auf. Eine gewisse Schmerztoleranz hatte man über die Jahre aufgebaut, also absolvierte ich diese Übung noch 2 weitere Male und „rannte“ mit der Gruppe später auch wieder zur Unterkunft.

Nach 2,5h Schlaf kam ich nicht mehr aus dem Bett, das linke Bein war steif und im Bereich des Knies auf das Doppelte angeschwollen.

Ich meldete mich krank, war eine gute Stunde den verachtenden Blicken der Ausbilder und „Kameraden“ ausgesetzt und wurde schließlich in die nahe Kaserne zur ärztlichen Untersuchung gefahren.

Der dortige Fleischer Bundeswehrarzt war zufälligerweise Orthopäde. Er kam zu einer umfangreichen Diagnose nach 8 Sekunden Blickcheck:

„Sie mit Ihren O- und X-Beinen haben hier gar nichts zu suchen, Sie hätten nie auf den Lehrgang gehen dürfen. Das sind Überlastungsschmerzen. Kommt von Ihren deformierten Beinen. Ich schicke Sie nach Hause, Sie sind für diesen Lehrgang ungeeignet.“

Verlauf der Dienstunfähigkeit

Als Gescheiterter Versager wurde ich dann zunächst in meine Kaserne zurückgeschickt. Ein dortiger Arztbesuch ergab die gleiche Diagnose. Überlastungsschmerzen, schonen Sie mal, hier jeweils eine Packung Musaril und eine Diclofenac Salbe.

Kein Problem. Mein Jahrgang war ja noch fast zwei Wochen weg, ich hätte also Zeit mich ein wenig zu schonen. Ging nicht so ganz auf, weil den örtlichen Vorgesetzten während dieser zwei Wochen genügend unsinnige körperliche Beschäftigungstherapien für mich einfielen.

War aber kein Problem, hatte zu diesem Zeitpunkt schon meine eigene kleine Dose mit einem bunten Mix aus Schmerzmitteln und Musaril ständig dabei. Schmerzmittel bekam man damals schon bei Schnupfen problemlos vom Truppenarzt, quasi jeder im Jahrgang hatte sich da über die Jahre einen netten Vorrat aufgebaut.

Als der Jahrgang dann vom Lehrgang zurück kam, ging es auch gleich wieder auf Hindernisbahn und Leistungsmärsche. Erstaunlich, was man alles so mit einem halb steifen, hinkenden Bein hinbekommt, wenn man nur hinreichend vollgedröhnt ist.

Allerdings häuften sich nun meine Krankschreibungen und ich war so langsam als der Simulant in der Gruppe bekannt. Rund 2 Monate nach dem Unfall – bei unverändertem Schmerzleiden – kam eine junge Stabsärztin auf eine disruptive, experimentelle Idee. Ich solle ein MRT machen und Röntgen lassen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die bildgebende Diagnostik ergab einen komplexen Knieschaden (vorderes Kreuzband gerissen, Meniskus zerfetzt, ausgeprägter Knorpelschaden) angestrebte „Heilungszeit“ ca. 15-18 Monate.

Da war ich leistungsschwacher Aussätziger nun. 15-18 Monate Minderwertigkeit, kein echter Teil des Jahrgangs. Wartend auf eine Heilung, die natürlich nicht kommen kann, gerade ein komplexer Knorpelschaden heil nicht von allein. Operiert wurde nichts, schonen und halt der gewohnte Schmerzmittelmißbrauch.

Ein paar Wochen nette Beschäftigungstherapie ohne nennenswerte gesundheitliche Fortschritte verstrichen und schließlich ging es 2006 dann nach München an die UniBW zum Studium. Im Studium sollte die körperliche Belastung ja überschaubar sein.

Tatsächlich absolvierte ich ab Ende 2006 auch wieder Märsche und sportliche Übungen, die auch während des Bundeswehrstudiums zu erfüllen waren. Da ich aber niemals eine Reha hatte und unverändert Schmerzen und Schmerzmittelmissbrauch vorlagen, hielten sich meine sportlichen Erfolge in Grenzen. An meine frühere körperliche Leistungsfähigkeit konnte ich nie anknüpfen.

Anfang 2007 erfolgte ein zweites MRT, mit vernichtendem Befund. Das Knie hatte zu viel Spiel und produzierte einen sich weiter verschlechternden Knorpelschaden, der Meniskus war vernarbt. Es erfolgte eine ganze Kette an einwöchigen Krankschreibungen, mit denen ich mich dann immer brav Montags oder Dienstags beim Hörsaalleiter melden durfte.

Ende 2007 entschied ein Truppenarzt dann, dass die Heilung abgeschlossen sei. Mein Körper sah das etwas anders, die Schmerzen bei jedweder geringfügiger Belastung waren unverändert, aber ich hatte ja noch Schmerzmittel.

Ich wurde dann in die so genannte „Moppelgruppe“ gesteckt, eine Gruppe sportlich leistungsschwacher Kameraden. Diese trainierte während andere ihren Studienaufgaben nachkamen. Bei der Story stimmte einfach alles, auch die motivierenden Worte „Sie Scheißhaufen sind unwürdig den Adler auf der Brust zu tragen“.

Widererwarten führte diese Mobbingmaßnahme professionelle Motivationsmaßnahme nicht zum gewünschten Erfolg. Schließlich scheiterte ich an der für das 2007er Sportabzeichen notwendigen 100-Meterzeit. Nach lediglich 9 Versuchen übergab ich mich gepflegt in einen Hauseingang, die Lichter gingen aus und irgendwann wachte ich in der Unterkunft wieder auf.

Das war der erste Zeitpunkt, wo mir mit rund 24 Jahren klar wurde, dass da irgendetwas grad nicht ganz optimal lief. Dies gab mir mein Vorgesetzter von da an auch mindestens 2 mal wöchentlich durch von nun an unverblümte Mobbingmaßnahmen zu verstehen.

Im Februar 2008 war der somatische / psychische Leistungsdruck so stark angewachsen, dass ich meine Studienaktivitäten kaum noch erfüllen und kaum Schlafen konnte. Schwere Konzentrationsstörungen und permanente Durchfälle rundeten die Story ab. Kurzum, ich ging dann mal zur psychologischen Beratung an der Uni.

Man fragte mich, ob ich mich derzeit umbringen wollen würde. Was ich verneinte. Wenn, dann würde ich lieber den mobbenden Hauptmann als mich selbst erschießen. Worauf man mir einen stationären Aufenthalt und Antidepressiva anriet. Darauf hatte ich keine Lust und das Gespräch war nach rund 20 Minuten zu Ende.

Es verstrichen ein paar Wochen, der Zustand verschlechterte sich, ich kam morgens kaum noch aus dem Bett. Mein Vorgesetzter hatte mittlerweile herausgefunden, dass ich eine vom ursprünglichen Truppenkommandeur genehmigte Nebentätigkeit (Erstellung von Webseiten) an der Uni nicht erneut genehmigen lassen habe und drückte mir noch ein Disziplinarverfahren über 600 Euro rein.

Mehr oder weniger zufällig geriet ich bei einem Arztbesuch an einen Oberstabsarzt, der sich tatsächlich mit meiner gesundheitlichen Situation beschäftigte und mir anriet, mich zivil in Psychotherapie zu begeben und ein Dienstunfähigkeitsverfahren anzustoßen. Es folgte die erste reale Krankschreibung im Sinne von ich wurde für eine Woche auf die heimische Couch geschickt.

Eine Darmspiegelung ergab ein ausgeprägtes Reizdarmsyndrom.

Es folgten 12 oder 14 Sitzungen bei einer zivilen Psychologin, begleitet von weiterem Mobbing durch den Hörsaalleiter und die Wochen verstrichen. Erst im September 2008 erfolgte die Vorstellung beim Wehrpsychiater. Nettes Gespräch. Er fragte mich nach der Begrüßung, ob man Windows Vista und 2000 als Wahloption auf einem PC laufen lassen könnte und wünschte mir noch alles Gute für meinen beruflichen Werdegang außerhalb der Bundeswehr.

Am 14. November 2008 ließ ich den Kasernenzaun mit einem 90/5 Formular hinter mir. Salopp, ich war nun dienstunfähig.

An den Zeitraum zwischen Februar und November 2008 habe ich nur bruchstückenhafte Erinnerungen, die Zeit erlebte ich wie im Nebel.

Was passierte im Nachgang?

Ich startete – gesundheitlich noch immer stark angeschlagen – in meine Vollzeit Selbstständigkeit im Onlinemarketing. Dienstleistungen in diesem Bereich hatte ich schon seit 2004 nebengewerblich erbracht.

Lief gut an, ich fand schnell auch namhafte Kunden und baute mir mein „Imperium“ von fast 300 verschiedenen Trashinternetseiten auf, made for google Adsense. Finanziell konnte ich nicht klagen.

Die von der Bundeswehr nach Entlassung bezahlte Weiterbildung sollte ein zusätzliches BWL-Fernstudium sein. Dieses brach ich aber schnell ab. Ich war weder mental dazu in der Lage noch ließ meine berufliche Tätigkeit es zeitlich zu.

Aber da war ja noch die Dienstunfähigkeitsversicherung. Meine finanzielle Sicherheit bei Dienstunfähigkeit. Finanzieller Schutz, auf den ich mich verlassen konnte. Mit der offiziellen Entlassung sollte das doch kein Thema sein.

War es auch nicht. Die Dienstunfähigkeit wurde im März 2009 anerkannt, 5 Monate nach Leistungsantrag.

Allerdings stellte sich nun heraus, dass meine „finanzielle Sicherheit bei Dienstunfähigkeit“ lediglich eine Abfindung von 2 Jahresrenten bei Dienstunfähigkeit umfasste und ansonsten nur Leistungen im Zuge einer Erwerbsunfähigkeit.

Salopp, ich bekam einmal 28.800 Euro ausgezahlt.

Es folgte noch ein kurzes Intermezzo über einen Knöllchenverdreher Fachanwalt für Versicherungsrecht. Was meine bis heute stark ausgeprägte Ablehnung Sympathie für diese Berufsgruppe begründete. Dann war es das auch gewesen.

Wo ist jetzt der Gag, wenn doch anstandslos nach lediglich 5 monatiger Lesezeit für ein 2seitiges 90/5 Formular gezahlt wurde?

Verkauft wurde mir eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Dienstunfähigkeitsversicherung, es war aber nur eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung mit Einmalleistung bei Dienstunfähigkeit. 1200 Euro monatlich bei Erwerbsunfähigkeit ist natürlich auch eine verlockende finanzielle Aussicht.

Glücklicherweise war ich auf das Geld vorerst nicht angewiesen. Allerdings setzte ich meine IT-Firma in einem Anflug von Selbstüberschätzung (bedingt durch noch bestehende gesundheitliche Wechselwirkungen) mit einer Kette voller Fehler 2012 vor die Wand.

Es folgten 2 Jahre, in denen ich mich auf meine Genesung konzentrierte und neben IT-Auftragsarbeiten Gelegenheitsjobs fragte, was ich denn nun machen wollen würde.

Der Großteil meiner Kunden stammte zuvor aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen, gewisse Kenntnisse und Berührungspunkte mit der Versicherungsbranche waren vorhanden. Eine Sachkundeprüfung hatte ich schon vorher  aus nebensächlichen Gründen absolviert. So wurde ich schließlich zum Jahresanfang 2014 Versicherungsmakler mit Spezialisierung auf private Altersvorsorge.

Wie daraus dann ein tatsächlich versierter und spezialisierter BU-Versicherungsmakler wurde, das ist eine andere Geschichte.

Eine Anekdote möchte ich allerdings noch zum Besten geben. 2019 traf ich zufällig in einer Facebookgruppe für Versicherungsmakler auf einen „Jahrgangskameraden“, der seinerseits nach einer Tour durch die WWK-Ausschließlichkeit als Versicherungsmakler tätig war. Einen inhaltlichen Diskurs über Dienstunfähigkeit kommentierte er beiläufig mit:

„Auf den Breitag müsst ihr nichts geben, der war damals schon beim Bund ein Simulant.“

Was man aus meiner eigenen Dienstunfähigkeit lernen kann

In jungen Jahren hält man sich für unbesiegbar, ich selbst tat das auch. In jungen Jahren interessiert man sich meist einen Scheißdreck für Versicherungsbedingungen, ich habe die beim Abschluss nie zu Gesicht bekommen.

In jungen Jahren blendet man jedwede Berührungspunkte mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus, so wie ich und meine „Kameraden“ es taten. Krankheit ist etwas für Alte. Die, die es doch früher erwischt: Simulanten und leistungsschwache Versager

Nennt man auch Survivorship bias. Wenn man ältere Kollegen zum Sinn einer Berufsunfähigkeitsversicherung befragt, trifft man keinen, der diese gebraucht hätte. Die, die eine BU gebraucht hätten, sind ja nicht mehr da …

Letzten Endes sind alle Erfahrungen im Leben irgendwie nützlich. In meinem Fall beeinflussen Sie bis heute die Herangehensweise, Abläufe und Detailverliebtheit in meinem Berufsleben. Sie sind der maßgebliche Grund, warum ich viele Dinge anders betrachte und bewerte als es Kollegen mit vergleichbarem Sachverstand aber ohne diese Erfahrungen tun.

Auch heute höre ich noch regelmäßig aus dem „Kollegenkreis“, dass ich mir über unnötige Dinge unnötig viele Gedanken machen würde. Eines hat sich diesbezüglich geändert, heute lächle ich darüber. 2007 bis 2012 war Lächeln selten.