Gerade bei einem langfristig orientieren Versicherungsvertrag – wie der Berufsunfähigkeitsversicherung – ist ein Höchstmaß an Flexibilität sehr wichtig. Doch worauf gilt es hinsichtlich des Kriteriums Flexibilität bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu achten?
Überbrückung von Zahlungsschwierigkeiten
Die wohl naheliegende Frage ist: Was ist, wenn ich meine Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung vorübergehend oder längerfristig nicht mehr zahlen kann?
Dazu sollte man kurz erläutern, was grundsätzlich passiert, wenn die Beitragszahlung eingestellt, respektive der BU Vertrag beitragsfrei gestellt wird. In Folge einer Beitragsfreistellung wird die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente auf eine beitragsfreie Rentenleistung herabgesetzt. Je nach Verlauf und technischer Gestaltung des Vertrags kann das ganz unterschiedlich aussehen.
Rein beispielhaft: Nach den ersten 6 Jahren wird die BU Rente beitragsfrei gestellt, bis dato waren 1800 Euro BU Rente vereinbart, die beitragsfreie BU Rente beträgt beispielhaft 180 Euro.
Der Versicherungsschutz ist somit zwar nicht gänzlich erloschen, aber weit vom ursprünglichen Bedarf entfernt. Und eine Reaktivierung des ursprünglichen Versicherungsschutz ist häufig nicht ohne bspw. erneute Risikoprüfung möglich.
Von daher sind bedingungsseitige Regelungen wünschenswert, die es mir ermöglichen, meine Berufsunfähigkeitsversicherung bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten hinsichtlich des Absicherungsumfangs aufrecht zu erhalten.
Die Versicherer sprechen in der Regel von einer Stundung, welche zinslos oder verzinslich gem. den Regelungen in den Bedingungen erfolgen kann. Ein Beispiel für eine positive und weitreichende Stundungsregelung könnte so aussehen:
(5) Sie haben die Möglichkeit, eine Stundung oder Teilstundung der Beiträge gegen Zahlung von Stundungszinsen für maximal 24 Monate zu verlangen. Hierfür ist eine schriftliche Vereinbarung mit uns erforderlich. Voraussetzung für eine Stundung oder Teilstundung ist, dass die Beiträge für die ersten zwölf Versicherungsmonate vollständig gezahlt wurden.
Die Stundung ist zinslos, wenn Sie uns anhand eines Bescheids oder Leistungsnachweises eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers oder Versorgungswerks nachweisen, dass Sie
– arbeitslos sind,
– sich in der gesetzlichen Elternzeit befinden,
– erwerbsgemindert oder pflegebedürftig sind.Wenn die genannten Anlässe enden, müssen Sie uns dies anzeigen. Eine weitere Stundung ist wieder zinspflichtig.
Quelle: Alte Leipziger BV10, Stand 2015, §8 Abs. 5
Die Alte Leipziger ermöglicht es sinngemäß die Beiträge für bis zu 24 Monate auszusetzen. Unter bestimmten Voraussetzung ist die Stundung zinslos möglich. Nachteil: Gestundete Beiträge müssen natürlich irgendwann nachbezahlt werden. Es gibt nichts geschenkt, oder vielleicht doch?
Einen durchaus innovativen Ansatz hinsichtlich der finanziellen Aspekte der Lebensentwicklung bietet zum Beispiel die Dialog mit Ihrem Lebensphasenmodell.
Im Falle einer Arbeitslosigkeit „schenkt“ die Dialog dem Kunden einmalig 6 Monatsbeiträge. Bei der Geburt eines Kindes können ebenfalls Beiträge für 6 Monate „geschenkt“ werden, das sogar theoretisch beliebig oft, so die gesetzliche Elternzeit tatsächlich 6 Monate andauert.
Das sind durchaus einzigartige Regelungen, hat aber auch einen Haken. Eine Stundung darüber hinaus, im Sinne der obigen Regelungen der AL, sieht die Dialog nur in Form einer Reduzierung der BU Rente auf die Mindestrente von 600 Euro / p.a. vor. Das geht ohne Gründe für 12 Monate, im Zuge einer Elternzeit sogar bis 36 Monate. Aber 50 Euro mtl. BU Rente können wohl kaum das Absicherungsziel sein.
Es gibt also durchaus unterschiedliche Ansätze und Möglichkeiten am Markt, die in Abhängigkeit von der individuellen Situation des Interessenten selbstverständlich individuell zu bewerten sind.
Ausscheiden aus dem Berufsleben
Mit Sicherheit weniger bekannt, aber nicht weniger wichtig, ist die Problematik „Ausscheiden aus dem Berufsleben“. Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder auch eine Sinnkrise können dazu führen, dass man vorübergehend oder längerfristig aus dem Berufsleben ausscheidet.
Die Toptarife sehen hier klare und verbindliche Regelungen vor. So bleiben die bedingungsgemäßen Kriterien in Toptarifen auch bei langfristigem oder dauerhaften Ausscheiden aus dem Berufsleben dauerhaft erhalten. Im Klartext heißt das: Im Falle einer langfristigen Arbeitslosigkeit würde immer der zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeübte Beruf bei der Beurteilung einer Berufsunfähigkeit heran gezogen werden.
Klingt zunächst recht kompliziert, lässt sich am einfachsten mit dem Blick auf eine nachteilige Regelung erklären:
(2) Übt die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend nicht aus und ist eine Wiederaufnahme vorgesehen (z.B. Elternzeit, Wehrdienst, Zivildienst), so gilt die zuletzt bei vorübergehendem Ausscheiden aus dem Berufsleben ausgeübte Tätigkeit gemäß Absatz 1 als versichert.
Scheidet die versicherte Person aus dem Berufsleben aus und werden später Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beantragt, so kommt es bei der Anwendung des Absatzes 1 darauf an, dass die versicherte Person zu mindestens 50 Prozent außer Stande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Die zu berücksichtigenden Kenntnisse und Fähigkeiten sind auf die Ausbildung und Erfahrung begrenzt.
CosmosDirekt BUZ Comfort Schutz 2015, §2 Abs. 2
Gem. den Regelungen von CosmosDirekt bleiben bei einem Ausscheiden aus dem Berufsleben die ursprünglichen Prüfkriterien nur dann erhalten, wenn eine Wiederaufnahme vorgesehen ist. Das dürfte im Zweifelsfall vor Gericht zu beweisen sein, Arbeitslosigkeit dürfte nicht grundlos in der „z.Bsp. Aufzählung“ nicht enthalten sein.
Gelingt der Beweis nicht, ist eine abstrakte Verweisung möglich. Es gilt dann zu prüfen, ob die versicherte Person außer Stande ist (irgend-)eine Tätigkeit auszuüben, die sie ausüben könnte. Völlig unabhängig davon, ob diese Tätigkeit tatsächlich am Arbeitsmarkt verfügbar ist. Also völlig unabhängig davon, ob der Versicherungskunde überhaupt ein Einkommen hat.
Der Marktschnitt sieht 2015 einen Erhalt der Prüfkriterien für 3-5 Jahre vor. Hier sollten sich gerade junge Menschen darüber im Klaren sein, dass bei veränderter Wirtschaftslage speziell eine Arbeitslosigkeit über 3-5 Jahre hinaus sehr wohl möglich sein kann.
Ich empfehle als Minimum daher dringend eine Regelung, die mind. 5 Jahre vorsieht und Arbeitslosigkeit generell wieder einschließt. Das ist zum Beispiel bei der Bayerischen der Fall. Wirklich empfehlenswert ist eigentlich nur ein genereller Erhalt der Prüfkriterien.
Dynamische Anpassung von Beiträgen
Gern unterschätzt wird die Anpassung einer einstmals vereinbarten BU-Rente an die Kaufkraft- und Einkommensentwicklung. Im Gegensatz zu Zahlungsschwierigkeiten geht es dabei also in erster Linie um die Aufrechterhaltung eines bedarfsgerechten Versicherungsumfangs. Die einzige generelle Möglichkeit einer schleichenden Anpassung stellen Beitragsdynamiken dar.
Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind Beitragsdynamiken als Recht des Versicherungsnehmers zu verstehen, die BU Rente ohne Angabe von Gründen und ohne erneute Risikoprüfung zu erhöhen. Eine Dynamik sollte daher grundsätzlich so hoch wie möglich gewählt werden.
Ob man dann aber tatsächlich jede einzelne Dynamik mitnehmen will / muss, das ist eine ganz andere Frage. An diesem Punkt wird aber bereits deutlich, wie unterschiedlich die Regelungen bei den Versicherern aussehen. So kann man einer dynamischen Erhöhung bei der HDI 4x in Folge widersprechen, bevor die Dynamik beim 5. Mal erlischt. Bei einer Alte Leipziger kann der dynamischen Erhöhung beliebig oft widersprochen werden, sie erlischt nie. Bei einer Allianz erlischt das Recht zur dynamischen Erhöhung bereits beim 2. Widerspruch in Folge.
Zudem gelten bei manchen Versicherern Altersbeschränkungen und / oder Summenbeschränkungen. Ein bei Abschluss 31jähriger Kunde der HUK Coburg kann bspw. nur bis 49 dynamisch erhöhen, wenn er bis Endalter 67 abgeschlossen hat (Hälfte der Laufzeit).
Nachversicherungsoptionen und Garantien
Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente ohne erneute Gesundheitsprüfung stellen Nachversicherungsoptionen dar. Diese können an bestimmte Ereignisse gebunden, oder auch ereignisunabhängig sein.
Im Gegensatz zur schleichenden Anpassung über Dynamiken erhöht eine Nachversicherung den Versicherungsschutz auf einen Schlag deutlich, entsprechend hoch ist das Risiko für den Versicherer.
Demnach finden sich in Bedingungswerken von Berufsunfähigkeitsversicherungen sehr detaillierte Regeln hinsichtlich der Nachversicherungsoptionen und zumeist zahlreiche Beschränkungen.
Es gilt individuell abzuwägen, welche Regelung bedarfsgerecht sein könnte. Die Beurteilung der Regelungen muss bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung für Studenten gänzlich anders erfolgen, als bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Mittvierziger, der bereits mit beiden Beinen im Berufsleben steht.
Fazit Flexibilität Berufsunfähigkeitsversicherung
Hinsichtlich des Kriteriums Flexibilität gilt es also zu prüfen, inwiefern der gewünschte Tarif in der Lage ist, sich an die eigene Lebensentwicklung anzupassen. Zu den zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen gehören insbesondere berufliche Veränderungen, Einkommensentwicklung und zukünftige Familienplanung, aber eben auch Risiken wie eine längerfristige Arbeitslosigkeit.
Eine hundertprozentige Planungssicherheit wird man nie erreichen können. Jedoch ermöglicht aufmerksames und detailliertes Prüfen der Versicherungsbedingungen die Wahl eines Tarifs mit flexibler bedingungsseitiger und technischer Ausgestaltung.
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